Die nachfolgenden Text sind der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der Liedertafel von 2002 entnommen:
Auf dem Land ist der Stammtisch der Vater vieler Dinge…
1902–1918
...so ist er auch der »Vater« unseres Vereins. Denn an einem solchen wurde am 13. September 1902 im Gasthof „Summer am See“ der Männergesangverein „Liedertafel“ gegründet.
Der Ausschuss war mangelhaft besetzt. Bis 1927 gibt es keine Aufzeichnungen über die Tätigkeiten des Vereins. Die ersten Jahre bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges verliefen mit üblichen, aber weniger nennenswerten Ereignissen wie Sängerkränzchen, Theater und Liedervorträgen.
Der 1. Weltkrieg unterbrach jäh das so freudig begonnene Vereinsleben. Er ließ so manchen Sänger nicht mehr heimkehren.
1919–1929
Oberlehrer Filchner sammelte das Elendshäufchen im Spätherbst 1919 wieder zusammen. Meist waren es Gründungsmitglieder, die wieder Lust zum Singen verspürten. Allzuvielen war sie allerdings vergangen.
Schon im Mai 1920 versuchte man sich erstmals in der Öffentlichkeit, und zwar bei der Fahnenweihe in Pürgen, 1922 bei der Fahnenweihe in Hofstetten und 1924 beim Arbeiter-gesangverein „Frohsinn“ in Landsberg. Das Gründungsmitglied Josef Dietrich war damals Vorstand
Nach diesen ersten öffentlichen Gehversuchen, die laut Chronik großen Beifall gefunden haben, wurde man mutiger und stellte den Antrag zur Aufnahme in den damaligen Sängergau „Ammersee Nord“. Erst wollte man zusammen mit Schondorf-Greifenberg-Türkenfeld-Herrsching und Dießen einen eigenen „Ammerseegau“ gründen. Herrsching und Dießen sagten ab. Türkenfeld und Geltendorf blieben lieber beim Gau „Ammersee Nord“ und so trat die Liedertafel“ am 14. November 1926 ebenfalls diesem Gau bei.
1922 trat Vorstand Dietrich zurück und Leonhard Jausl wurde sein Nachfolger. Unvergesslich Jausl’s Lieblingslied, „A Gamserl hast du g’schossen und i a alte Goaß“ .
1925 übernahm für 21 Jahre Fridolin Sauter die Leitung des Vereins. 1927 war ein ereignisreiches Jahr. Die Liedertafel trat zum ersten Mal als jüngstes Gaumitglied im Sängergau „Ammersee Nord“ auf. Bereits zwei Wochen später feierte man das 25-jährige Jubiläum mit Fahnenweihe. Bei strahlender Sonne trafen sich 500 Sänger im Garten der Sängerherberge „Summer am See“. Die von Malermeister Heinrich Kiefer senior entworfene Fahne trug als erster Ignaz Wurmdobler. Begleiter waren Sepp Steinlechner und Georg Müller.
Nicht so schönes Wetter war beim Sängerfest in Hechendorf. Auf der Überfahrt mit dem Dampfer nach Herrsching war der Sturm so stark, dass die Wellen über die Reling schlugen. Von diesem Anblick erschrocken, stieg der 1. Vorstand Fridolin Sauter erst gar nicht aufs Schiff und blieb in Utting.
Jetzt war die „Liedertafel“ endgültig aus den Kinderschuhen herausgewachsen und und es begann, man kann es eine Blütezeit nennen.
Zum Gausingen zum Beispiel in Luttenwang fuhr man per Motorrad und teilweise zusammen mit den Schondorfer Sängern mit einem Lastauto der Gräflich Törring’schen Brauerei.
1930–1947
Nicht nur bei der „Liedertafel“, sondern auch bei Veranstaltungen anderer Vereine bemerkte man die schlechte Wirtschaftslage Anfang der 30er Jahre an den schwachen Besucherzahlen.
1932 wurde erstmals ein Gausingen (heute Kreiskonzert) durchgeführt. Der 25. Juni 1933 wurde vom Deutschen Sänger-bund zum „Tag des Deutschen Liedes“ bestimmt. Im ganzen Reich, so auch in Utting, sollte der Öffentlichkeit das „Deutsche Lied“ zum Vortrag gebracht werden. Der Vereinsvorstand musste ab dieser Zeit „Vereinsführer“ heißen.
Beim Sängertreffen 1937 in Schondorf hieß das Motto: „Soldatenlieder aus alter und neuer Zeit“. Auch sonst war die Auswahl der Lieder sehr eingeschränkt. Viele durften nicht gesungen werden, sei es, wenn der Komponist Jude oder dem Regime nicht wohlgesonnen war. Also verging unseren Sängern langsam die Freude und der Chor zerfiel allmählich. So war`s damals. Doch genug von dieser Epoche.
Um etwas abgewandelt Friedrich Schiller zu zitieren: “Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gesang entfalten, es sei denn Schlacht- oder Totengesang“.
Der 2. Weltkrieg brach aus und es wurde wieder still um die Liedertafel. Bis zum Ende des „Tausendjährigen Reiches“ schweigt die Chronik.
Die Zeit bleibt nicht stehen, die Wunden vernarbten und das Leben musste weitergehen. Am 19. März 1946 fand im damaligen „Café Bauer“ die erste Vorstandswahl statt, aber die Militärregierung hatte etwas dagegen und akzeptierte diese nicht. Anscheinend hatte sie sogar vor den friedfertigen Sängern Angst. So mussten alle leitenden Personen frei von nazistischen Einflüssen sein und dem Entnazifizierungsgesetz entsprechen.
1948–1989
Ebenso die Vereinsmitglieder. Auch der erste Singabend bedurfte der Genehmigung des Landrates. So überrückte Leonhard Jausl diese Zeit, bis Jakob Ratzinger 1948 zum Vorstand gewählt wurde.
Großer Dank gebührt unserem Sangesbruder Johann Klingl sen., der während der französischen Besetzung unsere Fahne in seinem Heustock versteckte, um sie vor der Beschlagnahme zu bewahren.
Das Vereinsleben normalisierte sich, der erste Nachkriegsball wurde abgehalten, zwar mit Dünnbier, aber immerhin...
Große Meinungsverschiedenheiten veranlassten den Vorstand 1948, eine außerordentliche Versammlung ins „Cafe Bauer“ einzuberufen. Hauptpunkt war die Qualität und der Preis des Bieres beim Sängerball. Nach langer, hitziger Debatte kam es zur Abstimmung über einen Vereinslokalwechsel. Das Ergebnis war 11 zu 11 Stimmen. Also blieb es beim alten Lokal „Summer am See“.
Auch etwa in diese Zeit fällt die Ankunft zweier Soldaten, heimat-vertrieben, ausgelaugt und spindeldürr, aber mit ungebrochenem Willen und außerordentlicher musikalischer Begabung: Georg Schneider und Reinhold Stanke.
Es war 1952 und das 50-jährige Jubiläum. Manche werden sich an die fürchterlichen Regenfälle erinnern, die noch am Morgen niedergingen. Doch siehe da, die Sänger müssen doch brave Leute sein: es wurde schön und das Fest großartig.
Oberlehrer Niedermeier war bis zu diesem Fest Dirigent der „Liedertafel“. Nach ihm übernahm Reinhold Stanke den Chor, bis er 1955 mit dem Schiff nach Übersee (nach Herrsching) fuhr, sich dort eine Frau nahm und nicht mehr wiederkam.
Der neue Chorleiter konnte nur Georg Schneider heißen. 24 Jahre steuerte er souverän durch Stürme, Untiefen, aber auch Sonnenschein. Er war ebenso streng, wie auch von umwerfendem Humor. Einer seine Aussprüche war, wenn es etwas Deftiges zu essen gab: „Das hilft dem Vater aufs Rad“. Im Juli 1978 wurde er viel zu früh von dieser Welt abgerufen. Wir haben viel verloren.
Kleine Episode am Rande: Als man nach dem Gausingen in Breitbrunn mit dem Schiff nach Utting heimkehrte, bemerkte der Fahnenträger, dass er die Fahne in Breitbrunn vergessen hatte. Zurück nach Breitbrunn war kein Problem. Die Heimkehr allerdings schon. Einzige Möglichkeit war zu Fuß um den See. Es wurde spät.
Auch in diese Zeit fällt der Neuzugang eines jungen Sängers. Georg Göbl hieß er, der aber leider bei seinem 1. Probenbesuch wegen Übertretung der Sperrzeit gleich zwei Mark zahlen musste. Gesamteinnamen der Polizei an diesem Abend: 28 Mark!
Inzwischen wechselten auch die Vorstände. Jakob Ratzinger kandidierte 1963 nicht mehr und wurde von Hans Rieger abgelöst. In seine Amtszeit fiel 1964 die Weihe der neue Fahne. Es war ein von Hans Rieger bestens organisiertes und zum Teil auch finanziertes Fest. 28 Vereine nahmen daran teil, unter anderen auch die „Harmonie“ aus Stuttgart.
Rieger gründete 1966 den gemischten Chor. Zu dessen Bildung gingen die Meinungen stark auseinander. Volle Klarheit konnte nur eine geheime Abstimmung bringen. Zu aller Erstaunen war das Ergebnis 25 zu 11 Stimmen dafür. Schon nach kurzer Zeit wuchs dieser Chor zu einem stattlichen Klangkörper heran. Leider besteht er heute nicht mehr. Ein Teil entwickelte sich zum Evangelischen Singkreis, der bis heute noch erfolgreich besteht.
1966 übernahm Ubald Sedlmair den Vorsitz. Er baute die beiden Chöre weiter aus, so dass man seinerzeit mit bis zu 60 Sängerinnen und Sängern auftreten konnte, zum Beispiel beim Kreissingen in Inning. In dieseZeit fällt auch die Gründung des „Uttinger Dreigesangs“ mit Schreiber, Donner und Theis.
Unter Sedlmair fand das festliche Konzert zm 70-jährigen Jubiläum in der Turnhalle statt. Bis 1975 gab Ubald Seldmair dem Verein seine Prägung. Vor allem die Paarung Sedlmair – Schneider wird unübertroffen bleiben.
Sedlmair war es auch, der uns für den verstorbenen Georg Schneider einen jungen, überaus talentierten Chorleiter besorgte, den Dirigenten der Blasmusik: Michael Bauer. Er musste nach 6-jähriger Tätigkeit wegen Versetzung in eine andere Stadt aufgeben.
1975 wurde ein Mann Vorstand, dessen Name mit dem Verein fast identisch war: Otto Summer junior. Im Hause seiner Großeltern – Eltern und zuletzt in seinem Hause, dem Gasthof „Summer am See“, hatte die „Liedertafel“ im wahrsten Sinne des Wortes eine Heimat.
Sie blieben sich 77 Jahre treu, der Verein und das Haus Summer, bis dieses aufhörte zu existieren. Im Jahre 1979 wechselt man in das neue Vereinslokal, in den „Wittelsbacher Hof“ von Martin Wiesheu.
Otto Summer junior war ein eigenwilliger Vorstand, der sich aber äußerst aktiv für den Verein einsetzte. Er hat zum Beispiel durchgesetzt, dass die „Liedertafel“ 1978 in das Vereinsregister eingetragen und somit ein e.V. wurde.
Nach dem Ausscheiden von Chorleiter Bauer erklärte sich freundlicherweise Josef Braun aus Entraching bereit, die Chorleitung zu übernehmen. Er übte dieses Amt 5 Jahre aus und legte es danach aus Altersgründen nieder. Sein Nachfolger wurde Ulrich Schreiber.
1979 legte aufgrund eines Ortswechsels Otto Summer sein Vorstandsamt nieder. Sein Nachfolger wurde der damalige 2. Vorsitzende Helmut Basinek. 1988 wurde Rupert Riedel zum Vorstand gewählt. 1991 kandidierte er nicht mehr und die Wahl fiel wieder auf Helmut Basinek.
1990–1999
Wegen der Neuorgansisation der Sängerkreise wechselte die „Liedertafel“ 1990 vom Ammersee-Amper-Sängerkreis zum Sängerkreis Landsberg. Die sinkende Zahl aktiver Sänger, sei es aus Altersgründen oder aus mangelndem Interesse Jüngerer, stellte die Beteiligung an Kreissingen stark in Frage. Schondorf und Greifenberg hatten gleiche Probleme. Der Entschluss, gemeinsam als Ammersee-Chöre“ aufzutreten, behob für einige Jahre diesen Mangel.
Nach einer Idee der „Liedertafel wurde 1994 erstmals ein Kathreinkonzert mit allen Chören und Musikgruppen aus Utting veranstaltet. Der Erfolg war riesig.
Ein Meilenstein für die „Liedertafel“ war sicherlich die Entscheidung, Shanties (Seemannslieder) in das Liedgut aufzunehmen. Die Leitung übernahm Beppo Bebensee. Möglicherweise war dies auch der Anlass, dass sich nach und nach jüngere Sänger für die „Liedertafel“ interessierten.
Der Übergang von Chorleiter Uli Schreiber an Beppo Bebensee verlief fließend. Schreibers Zuständigkeit blieben zunächst kirchliche Auftritte und Bebensee übernahm neben Shanties auch den guten alten Männergesang. Überhaupt war die Bereitschaft Beppo Bebensee’s, die Chorleitung zu übernehmen, ein Glücksfall für die „Liedertafel“.
1999 trat die „Liedertafel“ noch unter der Leitung von Uli Schreiber zum ersten Mal wieder allein ohne Greifenberg und Schondorf im Zederbräu beim Kreissingen in Landsberg auf und erntete großen Beifall. Im Jahre 2000 schaffte die Liedertafel mit Spendengeldern einheitliche Chorkleidung an (Westen und Seemannshemden). Als 2001 der 1. Vorstand Helmut Basinek nicht mehr kandidierte, wurde Peter Tlaskal zum neuen 1. Vorstand gewählt, ein sehr rühriger Mann, wie sich bald zeigen sollte.
2000–2014
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